Auch bei diesem Experiment handelt es sich um einen ganz berühmten Versuch. Der Physiker Ernest Rutherford (1871–1937) konnte damit 1911 die Struktur des Atoms bestehend aus der Elektronenhülle und einem sehr kleinen Kern experimentell untermauern. Er bekam 1908 den Nobelpreis in Chemie.
Bildquelle: https://www.sciencelearn.org.nz/resources/2774-lord-ernest-rutherford
Rutherford ging von einem punktförmigen Kern der Ladung +Z·e aus. Werden nun Alphateilchen (= Heliumkerne) auf eine sehr dünne Goldfolie geschossen, so gehen die allermeisten Alphateilchen ohne Ablenkung gerade durch. Nur wenn das Alphateilchen sehr nahe am Kern vorbeifliegt, kommt es zu nennenswerten Ablenkungen. Der sog. Stoßparameter d gibt an, wie weit entfernt das Alphateilchen den Kern ohne Ablenkung passieren würde. Ein Stoßparameter d = 0 würde demnach bedeuten, dass das Alphateilchen direkt auf den Kern zielt.
Rutherford leitete für sein Atommodell die Wahrscheinlichkeit für eine Ablenkung um den Winkel φ her. Er erhielt folgende Formel:
Wichtig dabei ist die Abhängigkeit der Streuwahrscheinlichkeit vom Streuwinkel φ und zwar
Diese Funktion strebt bei sehr kleinen Winkel φ gegen unendlich und sinkt für steigende Winkel φ stark ab. Den minimalen Wert besitzt sie für φ = 180°, was ja einer Rückwärtsstreuung des Alphateilchens entsprechen würde. Dieser Fall kommt also am seltensten vor.
Um das Rutherfordsche Streuexperiment nachzubilden, benötigt man
- einen Alphastrahler (in meinem Fall Americium-241)
- eine dünne Goldfolie (bekommt man auf ebay)
- eine Photodiode vom Typ BPX61, deren Glasfenster man vorher entfernen muss!
- eine elektronische Schaltung zum Verstärken des Signals und zum Messen der Zählrate
- ein druckfestes Metallgehäuse (ich verwende eines von der Firma Bopla)
- Saugstutzen
- Vakuumpumpe
Mit der Vakuumpumpe sorgt man für ein Vakuum im Innenraum des Metallgehäuses. Dies ist deshalb notwendig, da ja Alphateilchen in Luft nur wenige cm weit kommen. Erst im Vakuum können sie die Strecke Alphastrahler-Detektor ohne Energieverlust zurücklegen.
Der Alphastrahler befindet sich auf einem Drehteller aus Holz. Damit die Richtung der emittierten Alphastrahlen eingeschränkt wird, verwende ich einen durchbohrten Holzblock (Anm.: Hierfür eignen sich die Holzteile der Firma Matador).
Nun stellt man einen bestimmten Streuwinkel φ ein und misst die Zählrate etwa in counts per minute (cpm). Man sollte einen Verlauf ähnlich zur obigen Formel erhalten, sprich eine sehr hohe Zählrate für φ = 0° (keine Ablenkung der Alphateilchen) und für steigende Streuwinkel φ dann eine starke Abnahme der Zählrate.
Hier die vorsichtig vom Glas befreite BPX61 Photodiode:
Das Rutherford’sche Streuexperiment kann auch sehr gut mit Excel simuliert werden. Man kennt ja die Kraft (= Coulombkraft), welche auf das Alphateilchen im Abstand r zum Goldkern wirkt. Die Bewegungsgleichung lautet nach Newton F = m·a.
Um diese Differentialgleichung näherungsweise zu lösen, bediene ich mich der Euler-Methode. Dabei wird zunächst die aktuelle Kraft auf das Alphateilchen ermittelt. Daraus ergibt sich für die Beschleunigung a = F/m. Die Beschleunigung a ist ja die Geschwindigkeitsänderung dv innerhalb der Zeit dt. Demnach gilt für die Geschwindigkeit nacher v(t+dt) = v(t) + a · dt. Über die Geschwindigkeiten erhält man mittels der Beziehung v = ds/dt den Ort nachher s(t+dt) = s(t) + 1/2 · [v(t+dt) + v(t)] · dt. Danach wiederholt sich der ganze Berechnungsvorgang.
Wie man an den Graphen erkennen kann, erfolgt eine merkliche Ablenkung nur dann, wenn der Stoßparameter d im Bereich < 0.1 pm = 10^ –13 m (!) liegt. Bei größeren Abständen findet fast keine Ablenkung mehr statt. Wenn man von einem Atomdurchmesser von 10^ –10 m ausgeht, muss das Alphateilchen für eine merkliche Ablenkung auf 1/1000 stel des Atomdurchmessers an den Kern herankommen!
Excel-Datei: Rutherford_Streuung_Excel_02
In einer ersten Version (siehe Abbildungen oben) befindet sich nur die Photodiode BPX61 innerhalb der Vakuumkammer. Deren Anschlüsse habe ich luftdicht nach außen geführt und mit der Elektronik verbunden. Dabei stellte sich heraus, dass das Signal extrem verrauscht ist. Aus diesem Grund befindet sich nun der Verstärker direkt in der Vakuumkammer und zudem ist GND mit dem Metallgehäuse verbunden! Außerhalb werde ich dann lediglich den Audioverstärker mit dem LM386 und den Zähler betreiben.
Ein erster Test mit dem Alphastrahler direkt vor der Photodiode lieferte wieder schöne, rauschfreie Signale:
Die Vakuumpumpe und einige Kleinteile (z.B. Saugstutzenadapter) sind mittlerweile angekommen und so konnte ich einen ersten Test starten. Aus Sicherheitsgründen habe ich den 47 µF-Elektrolytkondensator gegen einen 1.5 µF-Folienkondensator getauscht, damit mir dieser nicht im Vakuum hochgeht. Hier nun die finale Schaltung:
Das finale Vakuum beläuft sich leider nur auf rund 4 mbar. Schuld sind sicherlich das Holz in der Vakuumkammer und auch die verwendeten Kleber bzw. der Holzleim. Aber zum Glück ist die elektronische Schaltung und die Batterie ganz geblieben und nichts ist ex- oder implodiert. Die Vakuumkammer selbst dürfte auch dicht sein. Den Innendruck kontrolliere ich mit meinem selbstgebauten Pirani-Manometer.
Geht man von einer indirekten Proportionalität zwischen Reichweite der Alphastrahlen und Luftdichte aus, so müsste bei einem Luftdruck von nur noch 4 mbar die Reichweite gegenüber Atmosphärendruck auf das 250-fache ansteigen. Dies wäre dann für die 10 cm messende Strecke zwischen Strahlungsquelle und Detektor mehr als ausreichend.
In den letzten Tagen konnte ich die Zählrate in Abhängigkeit vom Streuwinkel bestimmen. Ich erhalte bereits bei relativ geringen Winkel ≥ 10° extrem niedrige Zählrate unter 1 cpm. Dies ist begründet durch den relativ schwachen Alphastrahler, die relativ große Distanz Quelle-Detektor und die doch sehr kleine Detektorfläche der BPX61-Photodiode. Selbst bei einem Streuwinkel von φ = 0° beträgt die Zählrate nur um die 1 cps.
Das Blattgold ist dermaßen dünn, dass man sogar durch dieses hindurchschauen kann:
Zum Abschluss die Messwerte (Zählrate in Abhängigkeit vom Streuwinkel). Winkel > 20° habe ich mir erspart zu messen, da dann die Zählrate unter 0.1 cpm sinkt.
Zum Vergleich ein Graph aus dem Internet. Auch bei diesem sinkt die Zählrate massiv für Winkel ≥ 10°.
Das Youtube-Video reiche ich noch nach…