In diesem Beitrag möchte ich einige spannende physikalische Effekte vorstellen, die sich auch experimentell sehr einfach umsetzen lassen.
Coandă-Effekt
Mit dem Sammelbegriff Coandă-Effekt werden verschiedene ursächlich nicht zusammenhängende Phänomene bezeichnet, die eine Tendenz eines Gasstrahls oder einer Flüssigkeitsströmung nahelegen, an einer konvexen Oberfläche „entlangzulaufen“, anstatt sich abzulösen und in der ursprünglichen Fließrichtung weiterzubewegen.
Eine genaue Definition und die Abgrenzung zum Bernoulli-Effekt sind schwierig. In der wissenschaftlichen Literatur wird der Begriff selten verwendet. Mehr Informationen gibt es etwa hier auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Coand%C4%83-Effekt.
Für dieses Experiment benötigen wir nur eine größere Glasflasche und eine Kerze. Diese wird angezündet und knapp hinter dem Glas postiert. Nun pusten wir genau auf der gegenüberliegenden Seite gegen die Flasche. Wie durch Zauberhand erlischt die Kerze, obwohl sie ja eigentlich durch die Flasche geschützt sein sollte.
Warum ist dies so? Aufgrund des Coandă-Effekt strömt die Luft nicht geradlinig sondern folgt der Flasche. Deshalb gelangt sie auch auf die vom Mund gegenüberliegende Flaschenseite und bläst dann dort die Kerze aus.
Photoakustischer Effekt
Hier (https://www.researchgate.net/publication/250564481_Kann_man_Licht_horen_Photoakustische_Experimente_in_der_Kuche) bin ich auf ein spannendes Experiment gestoßen, mit dem man Licht hörbar machen kann. Der Originalartikel von Dr. Manfred Euler ist in dem Physikmagazin „Physik in unserer Zeit„, Ausgabe July 2001, Seite 180 – 182 erschienen.
Der photoakustische Effekt (PAE), auch optoakustischer Effekt genannt, ist ein physikalischer Effekt, den sich die Optoakustik zunutze macht. Er beschreibt die Umwandlung von Lichtenergie in akustische Energie, also Schall. Erstmals beschrieben wurde der photoakustische Effekt 1880 von Alexander Graham Bell. Bereits kurz danach veröffentlichten auch andere namhafte Wissenschaftler wie Rayleigh, Wilhelm Conrad Röntgen und John Tyndall Arbeiten zu diesem Effekt.
Man benötigt für diesen Versuch lediglich ein großes Gurkenglas mit Deckel (laut obigen Artikel eignet sich ein Glas mit ca. 750 ml am besten), eine Kerze und eine 50W/230VAC Halogenlampe. Zunächst berußt man die halbe (!) Innenseite des Gurkenglases mit der Kerze. Die andere Hälfte muss frei und durchsichtig bleiben.
In den Deckel bohrt man dann ein 2–3 mm großes Loch mit dem Bohrer. Nun schließt man die Halogenlampe an der Steckdose an und strahlt auf das mit der klaren, nicht berußten Seite zur Lampe gerichtete Gurkenglas . Das kleine Loch im Deckel hält man indes an das Ohr.
Hat man alles richtig gemacht, so hört man ein leises, tiefes Brummen. Dass dies vom Licht der Lampe kommt, kann man ganz einfach überprüfen, indem man die Lampe ausschaltet oder das Licht nicht mehr auf das Glas scheinen lässt. Dann sollte das Brummen verstummen…
Wie kann man aber scheinbar Licht hören? Nun, das Licht der Halogenlampe erwärmt die Rußschicht im Inneren des Gurkenglases, wodurch sich auch die Luft im Inneren geringfügig erwärmt. Diese möchte sich infolgedessen ausdehnen und der Luftdruck steigt etwas an. Die Lampe ist ja an das 50 Hz Stromnetz angeschlosssen. Deshalb leuchtet sie pro Sekunde 100 mal heller auf. Infolgedessen steigt auch aus oben genannten Gründen der Luftdruck 100 mal pro Sekunde leicht an und erzeugt eine Schallwelle mit einer Frequenz von eben genau 100 Hz. Diese können wir mit dem ans Loch gehaltenen Ohr wahrnehmen. Auf diese einfache Weise haben wir also Licht hörbar gemacht, Heureka 😉
Wie schon erwähnt eignet sich für dieses Experiment am besten eine leistungsstarke (z.B. 50 W) Halogenlampe. Eine solche habe ich günstig gebraucht erworben:
Den dazugehörigen GU10-Sockel fand ich im lokalen Elektronikladen:
Gurkenglas mit dem gewünschten 750 ml Volumen und Kerzen zum Berußen gab es bei TEDI:
Mit meinem Lichtdetektor habe ich dann einmal den zeitlichen Intensitätsverlauf der Halogenlampe aufgenommen:
Als Sensor kommt die schnelle Photodiode SFH203 zum Einsatz:
Wie man erkennen kann, schwankt die Helligkeit mit einer Frequenz von 100 Hz.
Das innen zur Hälfte verrußte Gurkenglas:
Damit das Kerzenwachs während des Verrußens nicht auf die frei zu bleibende Innenhälfte tropft, habe ich diese mit einem starken Papier ausgekleidet…
…und es danach wieder entfernt
Das fertige Gurkenglas:
Jetzt fehlte nur noch ein kleines Loch (2 mm Durchmesser) im Deckel:
Hält man jetzt das Loch zum Ohr und beleuchtet das Gurkenglas mit der Halogenlampe, so kann man tatsächlich einen sehr, sehr leisen tiefen Ton wahrnehmen, Heureka…
Und um zu überprüfen, ob dies nicht etwa ein 50Hz-Brummen ist, habe ich die Halogenlampe bei gleichem Abstand zum Gurkenglas zur Seite geschwenkt, sodass kein Licht mehr auf die Rußschicht fällt. Der Ton war dann nicht mehr zu hören.
Für das Video wollte ich natürlich diesen Ton hörbar machen. Halte ich das Smartphonemikrofon direkt ans Loch, so zeichnet dieses absolut nichts auf. Selbst mit einem empfindlichen Spionage-Mikrofonverstärker ging gar nichts…
Also musste ein zweiter Verstärker her. Ein solches Modul auf Basis eines Operationsverstärkers mit gain_max = 100 hatte ich noch in meiner Elektronikkiste:
Erst mittels dieser zweifachen Verstärkung konnte ich das Smartphonemikrofon überreden etwas zu hören, indem ich einen in ear Kopfhörer an den Verstärkerausgang anschloss und diesen dann an das Smartphonemikrofon hielt.
Mit einer Frequenz-analyzer-App war dann das 100 Hz Signal auch deutlich zu sehen:
Hier eine weitere App:
Halte ich im Video nun ein Papier zwischen Lampe und Gurkenglas, so verstummt der Ton…
Das menschliche Gehör ist wirklich faszinierend und eigentlich ein Wunder. Erst durch einen doppelten Verstärker konnte jener Ton hörbar gemacht werden, welcher direkt mit dem Ohr ebenfalls wahrnehmbar war. Die Hörschwelle (Lautstärke = 0 dB) für unser Ohr liegt bei nur 10^ –12 W/m², die Schmerzgrenze bei 130 dB, sprich einer Intensität von 10 W/m². Damit überstreicht das menschliche Ohr einen Sensibilitätsbereich von 13 (!) Zehnerpotenzen, Wahnsinn…
Die improvisierte Verstärker-Lösung gefiel mir aber nicht wirklich und so versuchte ich nun einen kompakteren, extrem sensiblen Mikrofonverstärker zu basteln. Die Basis bildet ein Operationsverstärker mit gain_max = 1000.
Wenn ich in einem Abstand von ca. 50 cm zum Elektretmikrofon sehr leise flüstere, zeigt das Oszilloskop bereits ein deutliches Signal an.
Das erhaltene Signal des 100 Hz Tons vom Gurkenglas:
Dieses Signal an den Kopfhörer angeschlossen reichte aber leider nicht aus, um vom Mikrofon des Smartphones wahrgenommen zu werden. Also musste ich meine Schaltung doch noch um einen weiteren Verstärker ergänzen. Dazu verwendete ich den Audioverstärker-IC LM386.
Jetzt besaß das Signal eine Amplitude von immerhin bis zu 3V:
Dies schien mir nun mehr als ausreichend. Schließe ich das Oszilloskop an den Verstärkerausgang, so ist im Fourierspektrum bei eingeschaltetem Licht der 100 Hz peak deutlich zu sehen:
Schließe ich den Kopfhörer an den Verstärkerausgang und halte diesen direkt ans Mikrofon des Smartphones, so erhalte ich mit einer App für das Frequenzspektrum folgende Ergebnisse:
Auch hier ist mit eingeschaltetem Licht der 100 Hz peak gut zu erkennen.
Nehme ich allerdings mit einer Soundrecorder-App fürs Smartphone den Ton auf und spiele diesen dann ab, so hört man ihn nicht sehr laut. Mit Audacity bearbeitet (Schmalbandfilter um 100 Hz herum) ergibt sich dann folgendes Resultat:
Diesen deutlich wahrnehmbaren Ton habe ich aus Neugierde analysiert. Zu meinem Erstaunen musste ich feststellen, dass es sich nicht wie zu erwarten war um einen 100 Hz Ton, sondern um einen mit 300 Hz handelt. Wie kann dies aber sein?
Betrachten wir das Tonsignal mit Audacity genauer:
Es besitzt zwar eine Periodendauer von 0.01 sek, was einer Frequenz von 100 Hz entspricht, aber es ähnelt stark einem Rechtecksignal. Das Fourierspektrum eines Rechtecksignals mit der Frequenz f besteht allerdings aus den Frequenzen f, 3·f, 5·f usw. also konkret aus den Frequenzen 100 Hz, 300 Hz, 500 Hz usw. mit abnehmenden Amplituden.
Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass ich 100 Hz noch relativ problemlos höre. Um dies aber zu prüfen, habe ich mir auf Youtube einen 100 Hz Ton vorspielen lassen. Diesen konnte ich eigentlich NICHT hören.
Gut, die 100 Hz höre ich also nicht mehr. Die 500 Hz Komponente hat bereits eine zu geringe Amplitude/Intensität. Bleiben also nur noch die 300 Hz übrig, welche man auch tatsächlich hört.
Ich habe dann ohne den Umweg Kopfhörer – Smartphonemikrofon das elektrische Ausgangssignal meines Verstärkers in den Line-IN Eingang einer externen Soundcard geführt und dieses „Audiosignal“ mit Audacity aufgezeichnet. Das Ergebnis:
Das sieht schon viel eher nach einem schönen 100 Hz Sinus aus. Hier die Audiodatei:
Spiele ich diese etwa auf meinem Laptop ab, so höre ich (fast) gar nichts. 100 Hz sind wie schon erwähnt für mein Gehör bereits zu tief. Aber vielleicht hört ja jemand anderer den tiefen Ton 😉
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die versuchte akustische Wiedergabe des durch die Halogenlampe erzeugten 100 Hz Tons schwierig ist. Was man dann aber deutlich hören kann, ist die 300 Hz Fourierkomponente. Wählt man anstelle einer ans 50 Hz Stromnetz angeschlossenen Lampe eine LED und steuert diese mit höherer Frequenz an, so umgeht man die Probleme des zu tiefen Tons. Das Experiment wird dann allerdings auch gleich aufwendiger.
Man könnte auch noch prüfen, ob der direkt mit dem Ohr am Gurkenglasdeckel wahrgenommene Ton nun 100 Hz hat oder ebenfalls 300 Hz. Dies herauszufinden überlasse ich aber den interessierten Schülern bzw. Lesern dieses Artikels…
Nach diesem Experiment habe ich allergrößte Hochachtung vor der Evolution bzw. insbesondere dem menschlichen Gehör. Gigantisch wie sensibel es ist. Übrigens, wäre es nur eine Spur noch empfindlicher, könnten wir sogar die Stöße der Luftmoleküle gegen das Trommelfell hören. Beeindruckend, oder?
Das Youtube-Video reiche ich wie immer nach…