Rastertunnelmikroskop

Der Tunneleffekt ist ein quantenmechanisches Phänomen, welches klassisch nicht zu erklären ist. Nehmen wir zum Beispiel eine Hochschaubahn:

Der Wagen wird am Punkt A losgelassen. Er saust zu Beginn hinab und besitzt am Ort B aufgrund der Reduzierung seiner potentiellen Energie eine hohe kinetische Energie. Am Weg wieder hinauf wird seine kinetische Energie (Geschwindigkeit) nun kleiner, seine potentielle Energie steigt aber wieder. Klassisch betrachtet und ohne Reibung würde der Wagen am Ort C (gleiche Höhe wie Punkt A) zum Stillstand kommen. Er könnte niemals den Punkt D erreichen bzw. den Berg überwinden, da seine Gesamtenergie nicht für die zu hohe potentielle Energie im Punkt D ausreicht. Was passiert aber quantenmechanisch?

Der Wagen kann quantenmechanisch aber durch diese scheinbar unüberwindbare Energiebarriere von C nach E durchtunneln. Am Ort E angekommen nimmt er wieder in Richtung Ort F an Fahrt auf. Der Tunneleffekt erklärt also, wie quantenmechanische Objekte (zum Beispiel Elektronen) energetische Hindernisse überwinden, obwohl die Teilchenenergie eigentlich dazu nicht ausreichen dürfte.

Ausgangspunkt quantenmechanischer Berechnungen ist die sog. Schrödingergleichung. Dabei handelt es sich um eine Differentialgleichung mit der gesuchten Wellenfunktion ψ(r,t) bzw. ψ(r).

Nehmen wir für das Potential V(x) folgende Potentialbarriere  

Klassisch betrachtet könnte ein Teilchen mit der Energie E < V0 diese Potentialbarriere nicht überwinden und sich im Bereich III nach rechts weiter fortbewegen.

Um die Schrödingergleichung zu lösen, setzt man für die Bereiche I und III mit V(x) = 0 folgende Wellenfunktion ψ(x) an:

Setzt man ψ(x) und ψ“(x) in die Schrödingergleichung ein, erhält man folgende Lösungsfunktion für die Bereiche I und III:

Für den Bereich II mit V(x) = V0 setzt man für die Wellenfunktion ψ(x) wiefolgt an:

Dies liefert eingesetzt in die Schrödingergleichung folgendes Ergebnis für die Wellenfunktion im Bereich II:

Insgesamt lautet die Wellenfunktion ψ(x) also:

Wie man erkennen kann, nimmt die Wellenfunktion ψ(x) im Bereich II zwar exponentiell ab, sie ist aber am rechten Ende der Potentialbarriere bei x = a nicht vollends verschwunden. Graphisch dargestellt gilt also für die Wellenfunktion folgender Verlauf:

Die Wellenfunktion nimmt zwar im Bereich der Potentialbarriere exponentiell ab, sprich die Aufenthaltswahrscheinlichkeit wird immer geringer, aber ist die Potentialbarriere nicht zu breit, so besteht für das Teilchen eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, diese Barriere zu durchtunneln und im Bereich III noch existent/detektierbar zu sein. Für die Tunnelwahrscheinlichkeit T ergibt sich schlussendlich der Ausdruck

Dieser Tunneleffekt wird gezielt beim sog. Rastertunnelmikroskop (RTM oder engl. scanning tunneling microscope, kurz STM) ausgenutzt. Bei diesem Mikroskop fährt man mit einem sehr spitzen Draht (in meinem Fall aus Platin) die zu untersuchende Oberfläche rasterförmig ab, ohne dass der Draht diese berührt. Klassisch betrachtet kann kein Elektron vom Draht zur Oberfläche gelangen. Quantenmechanisch tunneln nun aber Elektronen vom Draht zur Oberfläche und es fließt ein sehr geringer Tunnelstrom. Dieser ist natürlich abhängig vom Abstand des Drahts zur Oberfläche. Die Position des Drahts ist mittels Piezoelementen regelbar. In x- und y-Richtung wird der Draht über die Oberfläche geführt/gescannt. In z-Richtung wird der Draht nun so positioniert, dass immer der gleiche Tunnelstrom fließt. Gleicher Tunnelstrom bedeutet aber in etwa gleicher Abstand Drahtspitze-Oberfläche. Gelangt die Drahtspitze etwa zu einem Oberflächenhindernis, so muss die z-Komponente des Drahts abgeändert werden und dieser weicht dem Hindernis nach oben aus. Bei einer Mulde und demnach größeren Abstand Drahtspitze-Oberfläche würde der Tunnelstrom abnehmen. Um diesen dennoch konstant zu halten, muss der z-Piezo gedehnt werden, damit sich die Spitze wieder der Oberfläche auf den Sollabstand nähert. Die am z-Piezo anliegende Spannung ist also ein Maß für die jeweilige Oberflächenstruktur.

Kennt man nun das Steuersignal des z-Piezos in Abhängigkeit von den x- und y-Steuersignalen, so lässt sich auf diese Weise die (atomare) Struktur der untersuchten Oberfläche abbilden. Wandelt man die notwendige Steuerspannung des z-Piezos in Abhängigkeit von der Drahtposition (x,y) in einen Grauwert um, so erhält man ein Abbild der Oberfläche.

Abbildung: Atomare Auflösung von HOPG (hochorientierter, pyrolitischer Graphit: ein Graphitkristall, der sehr regelmässige und glatte Spaltflächen hat). Aufnahme mit einem STM-Nachbau von Sven Ullrich

Kann man nun ein solches Tunnelmikroskop als Amateur bauen? Die Antwort lautet „Ja“. Mein Rastertunnelmikroskop basiert auf einem Projekt der deutschen Universität Münster. Diese stellte im Jahr 2004 den kompletten Bau eines STM vor. Im Laufe der Jahre besorgte ich mir Teil für Teil zur Umsetzung dieses Projekts. So kam auch die für den Betrieb notwendige PC-Steuerkarte  PC20TR der deutschen Firma BMC Messsysteme GmbH in meinen Besitz. Diese gibt über 2 steuerbare, analoge Ausgänge die Spannungen für den x- und y-Piezo aus und liest zeitgleich über 2 analoge Eingänge den von der Steuerelektronik konstant gehaltenen Tunnelstrom I und die Spannung des z-Piezos ein. Damit erzeugt die Software dann ein Abbild der untersuchten Oberfläche.

Da für den Betrieb des Tunnelmikroskops also immer ein PC mit dem veralteten ISA-Kartenslot vonnöten ist, schaute ich mich nach einer kompakteren Lösung um und wurde beim Arduino fündig. Anfang 2016 begann ich damit, das STM auf Arduino-Betrieb umzurüsten. Nun ist kein PC mehr zum Betrieb des Tunnelmikroskops notwendig. Das Bild wird direkt auf einem 320×480 pixel Display ausgegeben. Den Tunnelstrom bzw. die Spannung am z-Piezo kann man als bargraph auf einem 16×2 Display überwachen.

Die beiden Steuersignale für den x- und y-Piezo mit den Spannungsbereichen [-10V,+10V] werden mittels DAC MCP4922 und nachfolgendem Operationsverstärker (LM358) erzeugt. Die Eingangssignale/spannungen des z-Piezos und des Tunnelstroms werden ebenfalls mittels Operationsverstärker von [-10V,+10V] nach für den Arduino kompatible [0,+5V] umgewandelt.

ACHTUNG: Bei der Platine für die Steuerung/Regelung hat sich beim IC TL064N (U3B im Schaltplan) ein Fehler eingeschlichen! Pin 5 (nicht invertierender Eingang) muss eigentlich mit GND verbunden sein und Pin 6 (invertierender Eingang) mit den Widerständen R34, R31 und R28 bzw. dem Kondensator C16.

Hier nun die Bilder meines Rastertunnelmikroskops inklusive der Steuer/Regelungsbox:

Folgende Bilder dokumentieren die Veränderungen beim Umbau auf Arduino-Betrieb:

Zum Abschluss eine noch mit dem alten Setup (mit PC und ohne Arduino) erhaltene Aufnahme einer Goldoberfläche. Ergebnisse mit dem neuen Arduino-Setup sind noch ausständig!


Arduino-Code: