Neutronen

Das Neutron ist ein elektrisch neutrales Baryon und neben dem Proton Bestandteil fast aller Atomkerne (eben mit Ausnahme von H-1). Während Neutronen im Kern stabil sind, zerfallen freie Neutronen sehr schnell mit einer mittleren Lebensdauer von nur 880 sek. Es wandelt sich dabei in ein Proton, Elektron und Antielektronneutrino um. Dies ist energetisch deshalb möglich, weil ein Neutron etwas schwerer ist als ein Proton (m_n = 1.674928 · 10^ -27 kg, m_p = 1.672622 · 10^ -27 kg, m_e = 9.1 · 10^ -31 kg). Es hat eine um 1.3 MeV größere Ruheenergie als das Proton. Wenn man berücksichtigt, dass die Ruheenergie eines Elektrons 0,511 MeV beträgt, so steht nach der Umwandlung eine kinetische Energie von 1.3 – 0.511 ≈ 0.78 MeV zur Verfügung.

Heute wissen wir, dass das Neutron aus 3 Quarks (1 x up, 2 x down) besteht. Es besitzt den Spin 1/2 und zählt somit zu den Fermionen.

Ernest Rutherford, der Entdecker des Protons, sagte im Jahr 1920 einen neutralen Kernbaustein voraus, bei dem es sich möglicherweise um eine Proton-Elektron-Kombination handele. Er sprach von einem “kollabierten Wasserstoffatom”. William Draper Harkins bezeichnete dieses Teilchen 1921 als Neutron.

Die ersten Schritte zur Entdeckung des Neutrons wurden von Walther Bothe und seinem Studenten Herbert Becker getan. Sie beschrieben im Jahr 1930 einen ungewöhnlichen Typ von Strahlung, der entstand, wenn sie Beryllium mit Alphastrahlung aus dem radioaktiven Zerfall von Polonium beschossen. Da die Strahlung sehr durchdringend war, hielten sie diese zunächst für Gammastrahlung. Sie war zudem auch in der Lage, leichte Atome in schnelle Bewegung zu versetzen. Wäre es wirklich Gammastrahlung, so hätte deren Energie aber extrem groß sein müssen. Daher kamen erste Zweifel auf, dass es sich bei der sog. “Beryllium-Strahlung” um Gammastrahlen handelt.

Irene Joliot-Curie und ihr Ehemann Frederic Joliot-Curie (Anm.: nicht zu verwechseln mit ihren Eltern Marie und Pierre Curie) stellten fest, dass die “Beryllium-Strahlung” in der Lage war, Protonen aus einem wasserstoffhaltigen Material (z.B. Paraffin) zu stoßen, welche dann in einer Ionisationskammer einen messbaren Strom bewirkten. Als Mechanismus vermuteten sie einen dem Compton-Effekt verwandten Vorgang. Beim Compton-Effekt stößt ja ein Gammaquant ein Elektron an und überträgt auf diese Weise Energie auf das Elektron. Damit aber ein Gammaquant ein Proton auf die mit einer Nebelkammer beobachtete Energie bringen könnte, müsste es selbst eine abnorm hohe Energie besitzen. Dies erschien unwahrscheinlich.

Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/James_Chadwick#/media/Datei:James_Chadwick.jpg

1932 konnte schließlich der Physiker James Chadwick experimentell zeigen, dass es sich bei der “Beryllium-Strahlung” um Teilchen handelt, die ungefähr die Masse des Protons besitzen aber elektrisch neutral sind. Die Neutronen waren somit gefunden. Für diese Ergebnisse erhielt Chadwick 1935 auch den Nobelpreis für Physik.

Mit meinen Experimenten rund um das Neutron begab ich mich auf die Spuren von J. Chadwick.

Achtung: Für die folgenden Experimente benötigt man einen sehr starken Alphastrahler! Daher ist extreme Vorsicht geboten bzw. wird von eventuellen Nachahmungen abgeraten.

Variante 1: Ionisationskammer

Im ersten Versuch überprüfte ich, ob sich die durch die Reaktion von Beryllium mit Alphastrahlen erzeugten Neutronen mit einer simplen Ionisationskammer nachweisen lassen. Hierzu wurde an die Ionisationskammer eine Spannung von rund 40V angelegt und mit meinem Pikoamperemeter (Auflösung = 100 fA) der Ionisationsstrom gemessen.

Postiert man den reinen Alphastrahler vor der Ionisationskammer, so wird ein sehr hoher Ionisationsstrom im Bereich von 2.5 nA gemessen (Hinweis: Das Pikoamperemeter gibt Spannungen aus mit 1 mV ≡ 1 pA). Dies entspräche immerhin einer Anzahl von 1.56 · 10^ 10 Elektronen pro Sekunde!

Wird nun Paraffin (Kerzenwachs) zwischen Alphastrahler und Ionisationskammer gegeben, so sinkt der Ionisationsstrom auf nahezu 0 pA ab. Die Alphateilchen werden vom Paraffin zur Gänze abgeblockt, Betastrahlen und Neutronen sind keine vorhanden und auf die (schwache) Gammastrahlung vom Polonium-210 reagiert eine Ionisationskammer nicht.

Gibt man nun einen Berylliumstab vor den Alphastrahler und erzeugt damit zusätzlich Neutronen, so ergibt sich leider keinerlei Veränderungen beim Ionisationsstrom. Dieser bleibt bei nahezu 0 pA. Damit konnten also mit der Ionisationskammer keine Neutronen nachgewiesen werden. Wenn man bedenkt, dass pro 12500 Alphateilchen aber nur 1 Neutron entsteht und dieses dann erst ein Proton aus dem Paraffin stoßen muss, welches mit der Ionisationskammer prinzipiell detektierbar wäre, verwundert das ernüchternde Ergebnis allerdings nicht.

 

Variante 2: Photomultiplier + Plastikszintillator

Bei dieser Variante bestritt ich einen komplett anderen Weg zum Nachweis von Neutronen. Basis bildete ein sog. Photomultiplier (konkret ein Valvo XP2011) in Kombination mit einem Plastikszintillator des Typs Bicron BC412. Wie geht hier die Messung vonstatten?

Hier die Pin-Belegung des XP 2011 (gleich wie beim XP 2012) und die Beschaltung, wobei ich mit einer Versorgungsspannung von -1200 V gute Ergebnisse erzielen konnte:

Nun, der starke Alphastrahler wird zunächst ohne Beryllium (also ohne Erzeugung von Neutronen) außerhalb des Photomultipliers + Szintillator (diese befinden sich in einem lichtdichten Aluminiumrohr) postiert. Da Polonium-210 auch ein sehr schwacher Gammastrahler ist, messe ich mit dem Detektor eine gegenüber dem natürlichen Strahlungshintergrund nur gering erhöhte Zählrate (ca. 39 counts per second).

    

Gebe ich nun den Berylliumstab hinzu, so dringen neben den wenigen Gammaquanten auch die erzeugten Neutronen bis zum Plastikszintillator vor. Dort stoßen sie Protonen an (engl. proton recoil), welche sodann im Szintillator sehr schwache Lichtblitze erzeugen. Diese Lichtblitze werden mit dem Photomultiplier erfasst, die Spannungspulse an dessen Ausgang verstärkt und dann gezählt.

Und wirklich, ich konnte durch Hinzugabe des Berylliums eine Erhöhung der Zählrate von ca. 39 cps auf 48 cps (also +9 cps) feststellen. Damit war ich in der Lage, Neutronen zu detektieren. Man muss aber bedenken, dass der verwendete Alphastrahler extrem stark war. Pro 12500 Alphateilchen wird wie schon erwähnt nur etwa 1 Neutron gebildet. Demnach erzeugt ein Alphastrahler mit 1 µCi lediglich 2-3 Neutronen pro Sekunde. Von diesen wird dann selbst nur ein geringer Anteil mit dem Szintillator detektiert! Es macht also keinen Sinn, Neutronen mit schwachen Alphastrahlern mit Aktivitäten im 1 µCi-Bereich aufspüren zu wollen.